• 24. Oktober 2019

Thomas Schnalke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Düsseldorf Airport

„Fliegen ist das größte Stück Freiheit, das ich haben kann!“

Thomas Schnalke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Düsseldorf Airport

Thomas Schnalke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Düsseldorf Airport 150 150 Sven Lilienström

„Fliegen ist das größte Stück Freiheit, das ich haben kann!“

Als Luftverkehrsdrehkreuz mit mehr als 24 Millionen Passagieren im Jahr 2018 ist der Düsseldorf Airport (DUS) der größte Flughafen in Nordrhein-Westfalen und mit rund 20.000 Beschäftigten zugleich die größte Arbeitsstätte der Landeshauptstadt. Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, sprach mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Flughafen Düsseldorf GmbH Thomas Schnalke über Demokratie, CO2-Neutralität und die Frage, ob es ein Billigpreisproblem im deutschen Luftverkehr gibt.

Thomas Schnalke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Düsseldorf Airport | © Andreas Wiese, Flughafen Düsseldorf

Thomas Schnalke, Vorsitzender der Geschäftsführung des Düsseldorf Airport | © Andreas Wiese, Flughafen Düsseldorf

Herr Schnalke, als neues Gesicht in der Riege der „Gesichter der Demokratie“ möchten wir Sie zu allererst fragen: Welchen Stellenwert haben Demokratie und demokratische Werte für Sie ganz persönlich?

Thomas Schnalke: Demokratie garantiert Freiheit. Und Freiheit – insbesondere die Freiheit des Reisens – ist ein entscheidender Faktor in der Industrie, in der ich arbeite und die Grundlage für unser tägliches Handeln.

Der Wunsch des Menschen sich frei und mobil in der Welt zu bewegen ist riesengroß!

Der Wunsch des Menschen sich frei und mobil in der Welt zu bewegen ist riesengroß. Darüber hinaus garantiert die Demokratie freie Meinungsäußerung. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass Menschen, die sich begegnen und miteinander reden, Verständnis dafür haben, dass es auch eine andere Meinung als die eigene gibt. Schlussendlich braucht eine funktionierende Demokratie natürlich auch einen handlungsfähigen Staat, der innerhalb der demokratischen Regeln darauf achtet, dass diese eingehalten werden.

In Europa gewinnen rechtsgerichtete Parteien zunehmend an Einfluss. Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland hat die AfD deutliche Zuwächse erzielt. Wie kann ein weiterer Rechtsruck verhindert werden?

Thomas Schnalke: Wichtig ist zu verstehen, was die Menschen bewegt, eine rechtsgerichtete Partei zu wählen. Wir müssen die Situation der Menschen verstehen, die den Wunsch äußern, die Dinge grundlegend ändern zu wollen und meinen, dass es ihnen dann besser geht.

Wir sollten nicht zwischen Ost und West trennen und eine Grenze ziehen, die wir vor 30 Jahren bereits überwunden haben.

Der Rechtsruck findet aber nicht nur in Ostdeutschland statt. Auch hier im Westen gibt es eine Vielzahl von Menschen, denen die Demokratie oder die Werte der Demokratie nicht mehr ganz so wichtig sind. Wir sollten daher nicht zwischen Ost und West trennen und eine Grenze ziehen, die wir vor 30 Jahren bereits überwunden haben.

Die Handlungsfähigkeit des Staates fehlt manchen Menschen!

Meiner Meinung nach muss der Staat mehr Handlungsfähigkeit beweisen und diese Handlungsfähigkeit auch durchsetzen. Die Handlungsfähigkeit des Staates fehlt manchen Menschen. Der Staat muss klarmachen: Wir haben demokratische Grundwerte und diese Grundwerte müssen gelebt und auch verteidigt werden.

Der britische Premierminister Boris Johnson fährt einen harten Bexit-Kurs. Welche Auswirkungen hätte ein möglicher „No-Deal-Brexit“ für den Flugverkehr zwischen der EU und Großbritannien?

Thomas Schnalke: Eklatante Auswirkungen. In diesem Fall hätten wir ein Szenario, in dem die wirtschaftliche Entwicklung Großbritanniens unterbrochen wird. Der Luftverkehr hängt im Wesentlichen von der wirtschaftlichen Entwicklung ab.

Ein wirtschaftlicher Abschwung in Großbritannien wird ganz erheblichen Einfluss auf den Luftverkehr haben.

Großbritannien ist für Nordrhein-Westfalen eines der wesentlichen Länder, mit denen unsere Industrie Geschäfte macht. Deshalb wird ein wirtschaftlicher Abschwung in Großbritannien ganz erheblichen Einfluss auf den Luftverkehr zwischen beiden Ländern haben. Das ist ein Punkt, auf den wir uns einrichten müssen und auch eingerichtet sind.

Es ist zeitkritisch, neue Regelungen zu finden!

In Bezug auf das Regelwerk im Luftverkehr zwischen der dann verbleibenden EU und Großbritannien gibt es Übergangsregeln, die sicherstellen, dass der Luftverkehr auch weitergehen kann. Allerdings nur für eine begrenzte Zeit. Das heißt, wir müssen neue Regeln aufstellen, die dann gelten. Großbritannien als ehemaliges Mitglied der EU würde dann wie ein Drittland behandelt. Meine Sorge: Es ist zeitkritisch, neue Regelungen zu finden.

In jedem Fall wird der Luftverkehr sehr stark leiden, denn in Düsseldorf sind es jährlich 1,5 Millionen Menschen, die zwischen Düsseldorf und Großbritannien fliegen. Noch!

Die Demokratie befindet sich in einem fragilen Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit. Letzteres spielt am Flughafen naturgemäß eine übergeordnete Rolle. Geben wir unsere Freiheit am Check-in ab?

Thomas Schnalke: Nein, wir geben unsere Freiheit nicht am Check-in-Schalter ab. Fliegen heißt Freiheit und Freiheit genießen. Da schließt sich der Kreis wieder.

Sicherheitskontrollen sind kein Verlust von persönlicher Freiheit, sondern einfach eine Sicherheitsnotwendigkeit.

Wir sind der sicherste Verkehrsträger – auch im Vergleich zur Bahn. Das geht in der aktuellen Diskussion manchmal unter, denn am Bahnhof stehen keine Sicherheitsautomaten, die Gepäck oder Personen kontrollieren. Sicherheitskontrollen sind kein Verlust von persönlicher Freiheit, sondern einfach eine Sicherheitsnotwendigkeit, die ein sicheres Fliegen garantieren. Und Fliegen ist das größte Stück Freiheit, das ich haben kann!

Die Bundesregierung diskutiert eine länderübergreifende CO2-Bepreisung im Flugverkehr und auch die EU-Kommission plant laut Tagesspiegel einen grünen „New Deal“. Sind Billigflüge bald Geschichte?

Thomas Schnalke: Ich finde es schade, dass die aktuelle Diskussion von viel zu wenig Fakten und viel zu großen Überschriften geprägt ist. Wichtig ist es, die Fakten auf den Tisch zu legen.

Es gibt kein Billigpreisproblem im deutschen Luftverkehr!

Erstens: Es gibt kein durchgehendes Billigpreis-Niveau im Luftverkehr. Natürlich gibt es Sonderangebote, wie in jedem anderen Wirtschaftssegment auch. Der Durchschnittspreis für Flüge, die von Deutschland ausgehen, ist höher als der Durchschnittspreis der Bahn für vergleichbare Strecken. Das ist ein durch Studien belegter Fakt. Deshalb noch einmal: Es gibt kein Billigpreisproblem im deutschen Luftverkehr. Tatsache ist, dass der deutsche Luftverkehr durch die Luftverkehrssteuer mit 1,2 Milliarden Euro pro Jahr sehr hoch besteuert wird. Wir zahlen Steuern und zwar nicht zu wenig im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern.

Zweitens: Der Vorwurf, der Luftverkehr sei einer der größten Luftverschmutzer und einer der größten CO2-Emittenten ist falsch. Lediglich 3 Prozent der weltweiten CO2-Ausstöße gehen auf den Luftverkehr zurück – im innerdeutschen Luftverkehr liegt der CO2-Ausstoß bei 0,3 Prozent.

Wir können es schaffen, CO2-neutral zu werden.

Natürlich ist es wichtig, dass wir alle unseren Beitrag leisten, um das Klima zu retten. Ich stimme der Initiative „Fridays for Future“ zu, dass wir handeln und etwas tun müssen. Deshalb haben wir in unserer Branche beschlossen, die Forschung und Produktion von synthetischem Kerosin zu unterstützen und dafür einen klaren Vorschlag gemacht, die von uns gezahlten Steuern dafür zu verwenden. Die Emissionen am Boden – also das, was wir als Flughäfen emittieren – gehen bis 2050 auf null und bis 2030 werden die Emissionen gegenüber 2010 um die Hälfte reduziert. Wir können es also schaffen, CO2-neutral zu werden.

Durch Verbote und Strafen verbauen wir uns sämtliche Chancen, die ohne Zweifel da sind.

Aber: Die typisch deutsche Diskussion um Verbote halte ich für kontraproduktiv. Nicht nur im Luftverkehr, sondern an vielen anderen Stellen auch. Durch Verbote und Strafen verbauen wir uns sämtliche Chancen, die ohne Zweifel da sind – auch in Bezug auf Klimarettung und neue Industrien, die dadurch entstehen.

Überflieger gesucht: Im August hat der Flughafen Düsseldorf einen Wettbewerb für Düsseldorfer Kinder- und Jugendprojekte gestartet. Wie wichtig ist ehrenamtliches Engagement für unsere Demokratie?

Thomas Schnalke: Ehrenamtliches Engagement ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Ohne ehrenamtliches Engagement funktioniert das Miteinander nicht und darum geht es ja in der Demokratie. Deshalb kann der Einsatz von Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern nicht hoch genug geschätzt werden. Vor diesem Hintergrund haben wir diese Aktion ins Leben gerufen. Wir möchten ehrenamtliches Engagement würdigen. Das bisherige Feedback zeigt: Das Projekt ist eine sehr gelungene Aktion!

Herr Schnalke, unsere siebte Frage ist immer eine persönliche: Was machen Sie in Ihrer Freizeit gerne und wo auf dem Gelände des Düsseldorf Airport halten Sie sich am meisten auf – wo am liebsten?

Thomas Schnalke: Meine Freizeit verbringe ich am liebsten mit meiner Familie. Die hat absolute Priorität. Auf dem Flughafen halte ich mich am liebsten im Terminal auf. In der großen Halle, wo sich alle Menschen von ihren Angehörigen verabschieden, aber auch in der Ankunft, denn die Begrüßungsszenen gehen teilweise sehr ans Herz.

Es macht mich stolz, dass wir am Flughafen ein Stück dazu beitragen können, diese offene Gesellschaft zu erhalten!

Wie ich zu Beginn bereits sagte: Die Menschen möchten sich frei in der Welt bewegen. Aber sie kommen auch gerne wieder nach Hause zurück.

Das Miteinander in Familien und zwischen Freunden aber auch die Verbindung mit und der Empfang von Fremden verdanken wir unserer Demokratie und unserer offenen Gesellschaft. Es macht mich stolz, dass wir am Flughafen ein Stück dazu beitragen können, diese offene Gesellschaft zu erhalten.

Vielen Dank für das Interview Herr Schnalke!

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