• 8. August 2017

Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat 2017

„Wir brauchen ein starkes, solidarisches Europa!“

Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat 2017

Martin Schulz, SPD-Kanzlerkandidat 2017 150 150 Sven Lilienström

„Wir brauchen ein starkes, solidarisches Europa!“

Im Europaparlament hat Martin Schulz (61) über zwanzig Jahre – und zuletzt als dessen Präsident – bewiesen, dass er erfolgreich europäische Politik machen kann. Doch kann er auch Kanzler? An tragfähigen Konzepten mangelt es jedenfalls nicht. Erst im Juli präsentierten die Sozialdemokraten ihren Zukunftsplan für Deutschland. Sven Lilienström, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie, sprach mit dem Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten der SPD über Demokratie, Gerechtigkeit und ein starkes, solidarisches Europa.

Martin Schulz, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat der SPD | © Susie Knoll

Martin Schulz, Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat der SPD | © Susie Knoll

Herr Schulz, unsere erste Frage ist stets dieselbe: Welchen Stellenwert haben Demokratie und unsere demokratische Werte für Sie ganz persönlich?

Martin Schulz: Unsere Demokratie, unsere Grundwerte sind der wertvollste Schatz, den wir als Gesellschaft haben. Die SPD hat sich in ihrer über 150-jährigen Geschichte immer als Bollwerk gegen die Feinde der Demokratie erwiesen. Für mich ist es deshalb Stolz und Verpflichtung zugleich, Vorsitzender der ältesten demokratischen Partei des Landes zu sein.

Die Demokratie hierzulande befindet sich mehr denn je in einem Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit. Wie sicher ist Deutschland noch und wie viel Freiheit müssen wir aufgeben, um uns sicher zu fühlen?

Martin Schulz: Die Politik muss dieses spannungsreiche Verhältnis stets mit Augenmaß behandeln, niemals unüberlegt oder aktionistisch. Sicherheit schafft man nicht mit Druckerschwärze im Gesetzesblatt. Der Ruf nach immer neuen Gesetzen, der zum Beispiel nach Anschlägen reflexhaft erschallt, hilft nicht immer weiter. In solchen Situationen muss sachlich geprüft werden, ob gesetzliche Reaktionen notwendig sind und wie sie machbar sind, ohne die Freiheit ungebührlich einzuschränken.

Sicherheit schafft man nicht mit Druckerschwärze im Gesetzesblatt!

Wir wollen eine offene, freie Gesellschaft sein, absolute Sicherheit kann es da nicht geben. Trotzdem müssen wir alle rechtsstaatlichen Mittel nutzen, um größtmögliche Sicherheit zu schaffen.

Die globale Sicherheitsarchitektur sieht sich ebenfalls neuen Herausforderungen ausgesetzt. Was bedeuten die Veränderungen im transnationalen Machtgefüge für unsere Sicherheit in Deutschland?

Martin Schulz: Europa muss gerade jetzt stärker zusammenrücken. Wir brauchen einen viel stärkeren Datenaustausch, etwa wenn es um die Terrorismusbekämpfung geht.

Jährlich 20 bis 30 Milliarden mehr in die Armee zu investieren wird es mit mir als Bundeskanzler nicht geben!

Und wir brauchen eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik, statt der Aufrüstungslogik von Donald Trump zu folgen. Ich halte überhaupt nichts davon, in Deutschland 20 bis 30 Milliarden jährlich mehr in die Armee zu investieren. Das wird es mit mir als Bundeskanzler nicht geben.

Die Presse- und Meinungsfreiheit spielt im demokratischen Wertekanon eine entscheidende Rolle. Was ist Meinung und was Volksverhetzung? Können Sie uns ein aktuelles Beispiel nennen?

Martin Schulz: Die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in unseren Demokratien. Deshalb dürfen wir in Europa nicht einfach zusehen, wenn in Ungarn oder Polen der Rechtsstaat geschliffen wird oder in der Türkei Journalisten, die einfach nur ihre Arbeit gemacht haben, inhaftiert werden. Auch wenn uns Politikern nicht immer gefällt, was in den Zeitungen steht, es ist unsere Pflicht dafür zu sorgen, dass Journalistinnen und Journalisten unbehelligt ihre Arbeit machen können.

Voraussichtlich wird nur ein Bruchteil der wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger das Wahlprogramm der SPD lesen. Bitte sagen Sie uns in drei Sätzen, warum Sie Bundeskanzler werden sollten?

Martin Schulz: Deutschland kann mehr. Zum einen ist es Zeit für mehr Gerechtigkeit in Deutschland, zum Beispiel für die gleiche Bezahlung von Männern und Frauen für die gleiche Arbeit.

Wir brauchen ein starkes, solidarisches Europa!

Wir müssen viel mehr investieren in Bildung, Infrastruktur, Breitbandausbau und Forschung und Entwicklung, damit wir auch in Zukunft erfolgreich sind. Und wir brauchen ein starkes, solidarisches Europa.

Herr Schulz, angenommen die SPD gewinnt die Bundestagswahl im Herbst. Bei allem, was dann in den kommenden vier Jahren auf Sie zukommt: Wovor haben Sie am meisten Respekt?

Martin Schulz: Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland hat eine enorme Verantwortung für Deutschland, aber als stärkste Wirtschaftsnation im Herzen Europas auch für die Zukunft der Europäischen Union. Aber ich scheue mich davor nicht.

Als Bundeskanzler erwartet Sie täglich eine Menge Arbeit und Wahlkampf ist schließlich auch kein Erholungsurlaub. Was hilft Ihnen abzuschalten und den Kopf wieder frei zu bekommen?

Martin Schulz: Ich lese seit meiner Kindheit und Jugend sehr viel. Selbst mitten im Wahlkampf versuche ich jeden Abend mindestens zwei, drei Seiten zu lesen.

Vielen Dank für das Interview Herr Schulz!

Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU Deutschlands„Dafür bin ich diesem Land unendlich dankbar!“»
Mathias Cormann, OECD Secretary-General“We need to make globalisation work better for people!”»
Dirk Ippen, Verleger„Wir müssen weiter mutig unsere Meinung schreiben!“»
Boris Pistorius, Bundesminister der Verteidigung„Wir müssen für die Demokratie kämpfen!“»
S.K.H. Großherzog Henri von Luxemburg„Wir sollten uns immer bewusst sein, welch Privileg es ist, in einer Demokratie zu leben!“»
Olha Stefanishyna, Deputy Prime Minister of Ukraine“A Strong Sense of the Importance of Democracy Runs in Our Blood!”»
Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend„Wehrhafte Demokratie muss nach innen und außen verteidigt werden!“»
Ron Prosor, Botschafter des Staates Israel in Deutschland„Die Feinde unserer offenen Gesellschaften dürfen nicht entscheiden, wie wir miteinander leben!“»
Marie-Christine Ostermann, Präsidentin von „Die Familienunternehmer“„Unternehmer können es sich nicht mehr leisten, politisch unsichtbar zu sein!“»
Kerstin Ott, Sängerin und Songwriterin„Wir sind sichtbarer geworden!“»
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